DAR Deutsches Autorecht 2, Februar 2002, S. 62:
von Rechtsanwalt Uwe Lenhart, Frankfurt am Main
In Kürze
Als Grundlage für eine Entscheidung über Anordnung einer MPU können der Führerscheinstelle in Ermangelung tatrichterlicher Feststellungen im Strafbefehl dienstliche Erklärungen und Gutachten zur Tatzeit-BAK vorgelegt werden.
Der betroffene Fahrzeugführer wurde um 1.50 Uhr von der Polizei angehalten. Die Untersuchung einer um 2.50 Uhr entnommenen Blutprobe ergab einen Entnahmewert von 1,59%o. Aufgrund des vorläufigen Gutachtens ergab die Rückrechnung zum Vorfallszeitpunkt um 1:50 Uhr eine Mindest-BAK von 1,69%o.
Nach der aufgrund Aktenlage unwiderlegbaren Einlassung des Betroffenen gegenüber der Staatsanwaltschaft, er habe bis unmittelbar vor Fahrtantritt kurz vor 1.50 Uhr Alkohol konsumiert, ist die Staatsanwaltschaft aufgrund Tatzeit 1:50 Uhr und Blutentnahmezeitpunkt 2.50 Uhr davon ausgegangen, dass die Resorption bei Blutentnahme gerade abgeschlossen war, so dass zur Bestimmung der Tatzeit-BAK der Entnahmewert maßgeblich und eine Rückrechnung unzulässig war.
In den Strafbefehlsgründen hieß es hierzu: „Ihre Blutalkoholkonzentration betrug zur Entnahmezeit um 2.50 Uhr 1,59 Promille“. Der Strafbefehl wurde antragsgemäß erlassen.
Im Wege des Antrags auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis hat die Führerscheinstelle den Betroffenen aufgefordert, gemäß § 13 Ziff. 2 lit. c FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, da im Strafbefehl lediglich Feststellungen über die BAK zum Entnahmezeitpunkt getroffen seien, die Führerscheinakte keine Feststellungen über die Tatzeit-BAK enthalte und somit eine Rückrechnung vorzunehmen sei, die eine BAK von 1,69%o ergebe.
Nach Vorlage eines rechtsmedizinischen Gutachtens mit den Ergebnissen, daß unter Zugrundelegung eines Trinkendes von 1:50 Uhr eine Rückrechnung nicht statthaft ist, von den bei der Blutentnahme festgestellten 1,59%o als „wirksame Mindest-BAK“ auszugehen ist und aus rechtsmedizinischer Sicht nicht belegt werden kann, dass die Mindest-BAK über 1,59%o lag, sowie einer dienstlichen Erklärung der Staatsanwaltschaft, dass mit dem Satz „Ihre Blutalkoholkonzentration betrug zur Entnahmezeit um 2.50 Uhr 1,59 Promille“ in den Gründen des Strafbefehls die Feststellung der Tatzeit-BAK gemeint ist, hat die Führerscheinstelle auf Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verzichtet und dem Betroffenen eine neue Fahrerlaubnis erteilt.
Dieser Fall zeigt, daß es sich bei der für den Betroffenen bedeutungsvollen Frage nach MPU Ja oder Nein lohnen kann, erstens, den Mandanten über die Umstände der Alkoholaufnahme zu befragen und die Bedeutung von Resorption und -geschwindigkeit zu kennen und zweitens mit der Führerscheinstelle in den Dialog zur Erarbeitung einer Lösung über die Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik zu treten.