DAR Deutsches Autorecht, 1/2008, S. 33:

§ 265 Abs. 1 StPO (Rechtlicher Hinweis vor Verurteilung wegen Vorsatzes)

Vor der Verurteilung wegen vorsätzlicher Begehungsweise ist ein rechtlicher Hinweis gemäß § 265 Abs. 1 StPO immer dann erforderlich, wenn der entsprechende Bußgeldbescheid für Vorsatz und Fahrlässigkeit Geldbuße androht und im Bußgeldbe-scheid die Angabe der Schuldform fehlt. (Leitsatz des Einsenders)

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 09.11.2007 (2 Ss-OWi 441/07)

Sachverhalt: Das AG hat den Betr. am 06.07.2007 wegen einer am 04.11.2006 um 19.13 Uhr mit dem Pkw auf der BAB A 66 Innenstadt bei km 104,1 begangenen vorsätzlichen Überschreitung der innerörtlich zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 43 km/h zu einer Geld-buße von 100 €verurteilt, Daneben hat es gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Rechtsbeschwerde des Betr. hatte Erfolg und führte zur Aufhebung.

Aus den Gründen: Die Staatsanwaltschaft bei dem OLG Frankfurt am Main hat in ihrer Stel-lungnahme vom 01.11.2007 unter anderem zu der verfahrensrechtlichen Rüge des Betr. ausgeführt:

„Vor einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Begehungsweise ist ein rechtlicher Hinweis i.S.d. § 165 Abs. 1 StPO stets dann erforderlich, wenn der entsprechende Bußgeldbescheid für Vorsatz und Fahrlässigkeit Geldbuße androht und im Bußgeldbescheid die Angabe der Schuldform fehlt (vgl. Göhler, OWiG, 14. Aufl. Rdn. 50 zu § 71; OLG Düsseldorf VRS 86, 461; OLG Frankfurt a.M., zuletzt: – 2 Ss OWi 213/06 – ). Denn die Nichtangabe der Schuldform im Bußgeldbescheid hat zur Folge, dass i.d.R. von dem Vorwurf des fahrlässigen Handelns auszugehen ist (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1994, 347 m.w.N.; OLG Hamm VRS 61, 292; MDR 1973, 783). Die Abweichung von dieser Schuldform zu derjenigen der vorsätzlichen Begehungsweise stellt die Anwendung eines anderen Gesetzes i.S.d. § 265 Abs. 1 StPO dar, die einen rechtlichen Hinweis i.S.d. § 265 Abs. 1 StPO fordert (vgl. OLG Brandenburg NStZ 2000, 54; OLG Frankfurt a.M. – 2 Ss OWi 29/04 – ; – 2 Ss OWi 213/06 -).

So liegt der Fall hier. Gegen den Betr. ist am 28.11.2006 ein Bußgeldbescheid wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erlassen worden, ohne dass die Schuldform angegeben worden ist. Da dieser Verkehrsverstoß sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden kann, ist vom Vorwurf eines fahrlässigen Verhaltens auszugehen (vgl. OLG Frankfurt a.M. – 2 Ss OWi 213/06 – ). Der Betr. ist vom AG wegen vorsätzlicher Begehungsweise verurteilt worden. Unter diesen Umständen wäre das Tatgericht verpflichtet gewesen, einen rechtlichen Hinweis zu geben. Dass es dies nicht getan hat, steht mit der Beweiskraft des Protokolls fest (vgl. OLG Stuttgart DAR 1989, 392; OLG Brandenburg NStZ 2000, 54; OLG Frankfurt a.M. – 2 Ss OWi 213/06 – ).“

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat inhaltlich an.

Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das angefochtene Urteil auf dem Rechtsfehler beruht. So ergibt sich zwar aus den Urteilsgründen, dass der Betr. bewusst schnell gefahren ist, um die angeforderte Hilfestellung zu leisten. Dass er indessen infolge des Eilbedürfnisses vorsätzlich die innerörtlich zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hat, ist damit noch nicht zwingend belegt, so dass im Falle eines gerichtlichen Hinweises auf die vorsätzliche Begehungsweise jedenfalls nicht auszuschließen ist, dass der Betr. sich anders verteidigt hätte.

(Mitgeteilt von Rechtsanwalt Philip Leichthammer, Frankfurt am Main).